DIE LEITUNG EINES JUGENDKUNSTHAUSES


Wer schon einmal bei der altonale oder einem der bunten Sommerfeste in der Esche war, weiß: dort wird gebeatboxt und gerappt, getanzt und gesungen, gemalt und gefilmt. Im Jugendkunsthaus Esche mitten in Hamburg-Altona können jugendliche in kostenlosen kursen alles ausprobieren, was Spaß macht. möglich ist dies, weil ein FÖRDERkreis durch spenden alle workshops und kurse finanziert.

Mai 2025, genau ein Jahr nach dem Start unseres Berufeblogs im und am Hamburger Hafen bewegen wir uns langsam von der Elbe weg und besuchen in Altona Andreas Fleischmann, den Geschäftsführer der Esche.

Er sorgt dafür, dass all die Kurse laufen, die Bühnen gerockt und Feste gefeiert werden. Wir dürfen einen Blick hinter die Kulissen werfen – und fragen Andreas, wie seine Arbeit mit den Jugendlichen, den Künstlerinnen und Künstlern und den Spender:innen genau aussieht.

INTERVIEW MIT ANDREAS

  • Gibt es so etwas wie die Esche nochmal?

    In Hamburg sind wir relativ einzigartig. Es gibt noch die Hip-Hop Academy vom Kultur Palast Billstedt. 
Das ist ein ziemliches Leuchtturmprojekt. Die haben aber ein ganz anderes Konzept als wir.


    Das, was uns speziell macht, ist, dass wir uns sehr stark mit der sozialen Arbeit vernetzen. Wir sind offen für alle und das ist auch wichtig, damit wir wirklich gesellschaftlich integrativ wirken. Alle dürfen kommen. 

    Unser Motto lautet ja auch: Esche. Dein Freiraum. Das steht auf meinen Briefbögen und das ist auch sehr sehr wichtig. 
Das soll hier ein safer Space sein.


    Eltern, die sich eine Kunstschule für ihre Kinder leisten könnten, fordern wir auf, uns mit einer Spende zu unterstützen.


    Wir konzentrieren uns auf Jugendliche, weil sich im Sozialraum die soziale Arbeit hauptsächlich auf 6-14-jährige konzentriert.

    Wir unterscheiden uns von sozialpädagogischen Einrichtungen und wir sind kein Jugendzentrum.


    Wenn die Jugendlichen dreimal unentschuldigt fehlen, dann telefonieren wir auch hinterher. Wir versuchen natürlich, mit Augenmaß zu handeln je nachdem, welche Struktur von zu Hause mitgebracht wird. Das ist ein wichtiger Baustein um dran zu bleiben.

  • Wie bist Du in die Esche gekommen?

    Ich bin in München geboren und bin mit Anfang 20 zum Studieren nach Berlin und habe dort Ethnologie studiert mit wechselnden Nebenfächern. Am Ende gab es einen Abschluss in Philosophie und Soziologie.  

    Mit so einem gesellschaftswissenschaftlichen Studium ist man relativ planlos. Man hat nicht irgendeinen Skill, wie z.B. wenn man Medizin studiert oder Jura oder Irgendwas Ordentliches. 

    Ich hatte ein Praktikum bei Amnesty International gemacht und war in der Fundraising Abteilung angestellt. Nebenbei habe ich noch ein PR-Fernstudium gemacht. Ich dachte, ich möchte in die Richtung Charity PR, also quasi NGO PR, gehen.


    10 Jahre habe ich in Berlin gelebt, gearbeitet und studiert und bin dann der Liebe wegen nach Hamburg gezogen.

    Dort habe ich mich bei der Hamburgischen Kulturstiftung beworben, aber es ist leider nichts daraus geworden. 


    Aber ein paar Monate später ruft mich die Hamburger Kulturstiftung an und sagt, Andreas, du hast bei uns einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wir haben da eine Familie, die wollen so ein Projekt aufbauen. Können wir Dich da weiterempfehlen?

    Und ein paar Tage später ruft mich dann eben Julia an und sagt, ja ich plane mit meiner Familie sowas, wollen wir uns mal kennen lernen!?

    Und im April 2015 habe ich dann offiziell die Stelle angetreten.

  • Wie sieht Deine Arbeit aus?

    Ein Baustein damit die Jugendlichen dran bleiben, ist immer wieder hinterher zu telefonieren, was sehr wichtig ist.

    Dann treffe ich mich  jede Woche mit der Initiatorin und halte sie immer auf dem Laufenden. Sie kennt sich über das, was ich erzähle eigentlich inzwischen genauso gut aus wie ich, auch wenn ich das Operative mache.


    Sich stark zu vernetzen, gehört dazu und hat uns so weit gebracht, dass sich immer wieder Türen öffnen. (Mo & Friese, Altonale, Schulen etc.)


    Die ganzen Schulkurse, die internationalen Vorbereitungsklassen,  IVK Klassen mit Geflüchteten, die Mentoring-Programme, die Arbeit mit Multiplikatoren - das ist Teil der Arbeit.

     

    Auch Fundraising gehört dazu.

    Eine Stifterin aus dem Förderkreis z.B. hält regelmäßig Kontakt und ich gehe zweimal im Jahr mit ihr um die Alster spazieren und informiere sie über Alles.


    Zur Arbeit gehört auch, persönliche Beziehungen aufzubauen zum Förderkreis und den Spenderinnen und Spendern, die dann auch stolz sein sollen und dürfen, dass sie das hier möglich machen. 

  • Wie kommst Du auf die Kurse?

    Ich wollte ein Jugendkunsthaus aufbauen, das alle Facetten abdeckt, beziehungsweise einfach das abdeckt, was die Jugendlichen sich auch wünschen.  


    Bei Manga dauerte es, bis ich jemanden gefunden habe, der Manga gut konnte. Da gibt es natürlich auch nicht so viele. Oder K-Pop. Ich hatte gefragt, sollen wir mal K-Pop anbieten? Wenn dann alle schreien, das waren so 15 Mädels im Tanzkurs, dann weiß ich, okay das ist ein Auftrag.

    Ich sperre meine Ohren auf, aber die Dringlichkeit z.B. bei K-Pop und Manga kommt von den Jugendlichen. Ich muss natürlich auch jemanden finden, der das kann. 

    Unsere Kurse, sage ich immer, sind Breitensport statt Spitzensport - anders als z.B. bei der Hip Hop Academy, die verschiedene Level in den Kursen anbietet. 

  • Was ist das tollste an Deinem Job?

    Ich habe mir gerade heute morgen gedacht, dass es tatsächlich immer etwas Neues gibt! Bis jetzt ist kein Jahr so gewesen, wie das Jahr davor. Klar, ich habe ein Ferienprogramm im Mai und im Sommer und im Herbst. Ich habe ein Sommerfest und Winterfest und natürlich wiederholt sich das. Aber durch die ganzen Projekte ist es jedes Jahr wieder was Neues. 

    Ich habe eine Kollegin bei einer Stiftung, die organisiert auch ganz viele solcher Kulturprogramme für Kinder. 
Aber die sieht diese Kinder nie. 

    Und das ist für mich wirklich super schön: der Kontakt mit den Kindern und dass ich die meisten Kinder kenne.

    Diese Arbeit mit Menschen, das ist etwas, was mir einfach liegt.

    Denn am Ende zahlt alles auf dieses Ziel ein. Diesen Laden hier aufrechtzuerhalten und Programme für Kinder und Jugendliche zu machen.

  • Gibt es etwas, das Du nicht magst an Deinem Beruf?

    Ja. Ich würde sagen es gibt Sachen, die sind anstrengender. Ich muss z.B. noch 2 Abrechnungen machen, das mag ich nicht. Also die Bürokratie, die Buchhaltung und die Abrechnungen sind weniger schön.

  • Ist KI schon ein Thema bei euch?

    Ich schreibe alle Texte für unsere Webseite. Das sind ja kleine Blogbeiträge und die schreibe ich einfach gerne selbst. Dafür brauche ich keine KI. 


    Aber ich bin offen dafür. Wir machen da ein echt spannendes Projekt:

    Oscar sitzt im Rollstuhl und kann nicht sprechen und besucht unseren Rapkurs. Er schreibt selber Texte. Unser Rapcoach rappt die dann im Tonstudio ein. Und mit einer KI rechnen wir das dann über Nacht um. Der von Sebo eingerappte Text von Oscar wird in die Stimmfarbe von Oscars Sprachcomputer umgerechnet. Mit dem Sprachcomputer kann er sprechen und der hat eine Stimmfarbe und insofern hat Oscar jetzt seine eigene Rapstimme. 
Er hat schon vier Songs, glaube ich, gemacht. Sie waren auch in der Elbphilarmonie zu einem internationalen Symposium eingeladen. Und das Mahnmal St. Nikolai hat eine Ausstellung, die heißt Zwischen Krieg und Hoffnung.

    Und dazu haben die einen Song geschrieben und den haben sie dann live performt.  Auch Oscar hat live performt, mit seinen Texten auf seinem Sprachcomputer.

  • Würdest Du gerne mal mit jemandem tauschen?

    Ich finde so viele andere Menschen spannend. Also dein Leben mit den Notfallmamas sozusagen oder du als Fotografin, was ihr erlebt. Oder ein Astronaut oder ein Feuerwehrmann oder ein Müllmann. Jeder von diesen Menschen, denen ich täglich draußen begegne, hat sein eigenes unteilbares Leben. 
Das im Grunde total faszinierend ist. Oder eine türkisch stämmige Mutter, die ganz anders ihre Küche handhabt als ich. Da würde ich auch gern mal tauschen und gern mal irgendwie Mäuschen spielen. 

    Wir haben ja in Hamburg eine große, ghanaische Community und das sind auch so ganz andere Traditionen und Kulturen. Also für mich, der aus Bayern kommt mit zwei niederbayerischen Eltern, ist das alles total spannend. 

INFOBOX

Die Esche