EIN VORSITZENDER DER BERUFSBILDUNGSSTELLE SEESCHIFFFAHRT e.V. (BBS)

 & KAPITÄN A.D.

ERNST-PETER EBERT BLICKT IN SEINER FAMILIENGESCHICHTE AUF EINE LANGE TRADITION ZURÜCK: BIS NACH SYLT IN DAS JAHR 1668 REICHEN DIE WURZELN DER SEEFAHRER-FAMILIE. KAPITÄNE, STEUERLEUTE, SCHIFFSINGENIEURE UND LOTSEN GEHÖREN ZU SEINEN VORFAHREN. NICHT WEITER VERWUNDERLICH, DASS ER BEREITS MIT 15 JAHREN EBENFALLS ZUR SEE GING MIT STATIONEN BEI DEUTSCHE AFRIKA-LINIEN (DAL), DER BUGSIER-REEDEREI, DEM HOCHSEE-BERGUNGSSCHLEPPER OCEANIC UND EBEN DER BERUFSBILDUNGSSTELLE SEESCHIFFAHRT E.V.. DORT HAT ER SICH MASSGEBLICH FÜR DIE AUSBILDUNG DER SCHIFFSMECHANIKER EINGESETZT.

Als wir im Mai Torsten Hansow besucht haben, kam kurz vor Ende des Gesprächs Ernst-Peter Ebert an der Barkasse Tanja vorbei wir haben den ehemaligen Hochseebergungsschlepper-Kapitän spontan gefragt, ob er uns für ein Interview zur Verfügung steht.

Im Juni haben wir uns mit Ernst-Peter Ebert am Schlepperpier in Neumühlen verabredet, um an Bord des Bergungsschleppers Peter mit ihm und der Crew über den Beruf der Seeleute zu schnacken. Dass er sich hervorragend mit allem auskennt, was die Schlepperseefahrt betrifft, merkt man gleich: von allen Seiten grüßen ihn die Seeleute, denen wir auf dem Weg über das Pier begegnen und mit allen wird kurz geklönt. Kaum sind wir an Bord der Peter, gehen wir gleich in medias res und werden den "Paradebespielen einer gelungenen Ausbildung" vorgestellt, nämlich der Crew des Bergungsschleppers. In Stichworten erhalten wir einen ersten Überblick über die Ausbildung und haben dann gleich eine grundsätzliche Frage:


FRAGEN AN ERNST-PETER EBERT

  • Wie wichtig sind die Bergungsschlepper für die Seefahrt?

    Da gibt es ein aktuelles Beispiel, das gar nicht groß publiziert und nur einmal kurz in der Presse erwähnt wurde, nämlich die Dali in Baltimore, die eine ganze Brücke abgeräumt hat. Da haben im März 2024 mehrere Gründe zu diesem schweren Unglück geführt:

    1. Mehrere Blackouts der Maschine führten dazu, dass die Dali im Hafen trieb. Wo waren die Schlepper? Die Schlepper wurden aus Kostengründen nur zum Ablegen gebucht.
    2. Die Brücke hatte kein Leitwerk.
    3. Eine Besatzung, die schlecht ausgebildet ist.

    Das Ergebnis:  6 Tote und eine Brücke, die komplett demoliert ist, d.h. ein Schaden in Millionenhöhe, verursacht durch den Zwang zum Kostensparen.


    Eine gute Ausbildung der Mannschaft und vor allem der Einsatz einer Schleppercrew hätte dieses Unglück verhindern können.

  • Wie lange dauert denn die Ausbildung, bis man einen Schlepper navigieren darf?

    Insgesamt dauert die Ausbildung fast 10 Jahre. Zuerst absolviert man die 3-jährige Ausbildung zum Schiffsmechaniker, danach folgt ein Studium der Nautik oder Technik, das 2 Jahre dauert. Anschließend benötigt man 2 bis 3 Jahre für das große nautische oder technische Patent (Befähigungszeugnis).

    Das erreicht man durch Ausfahrzeiten, d.h. man muss das Patent freifahren als 2. oder 3. nautischer Offizier oder als 2. oder 3. technischer Offizier (Ingenieur). 

    Während des Studiums ist es möglich, in den Semesterferien zur See zu fahren und somit das Studium zu finanzieren.


  • Warum ist eine gute Ausbildung in diesem Bereich so wichtig?

    Es ist gerechtfertigt, dass wir eine sehr profunde und sehr lange Ausbildung haben, die wir hier an der Küste halten müssen, weil wir damit zur Gefahrenvermeidung beitragen. Die Besatzungen werden leider nicht besser und sind teilweise schlecht ausgebildet. Das ist gefährlich, auch aus ökologischer Sicht.

    Wenn wir z.B. an der Pier sind und ein Schiff festgemacht wird, dauert mit unqualifizierten Arbeitern alles länger. Da sind z.B. 3 oder 4 Schlepper mit 6000 PS, die dann eine halbe Stunde länger brauchen, bis das Schiff fest ist, das verbraucht Kraftstoffe.

    Auch wenn ein Unglück passiert, muss alles schnell gehen, aus naheliegenden Gründen.


    Im Seeschiffahrtsassistenzbereich wird dieses Manko der schlechten Ausbildung durch die Schlepper ausgeglichen, weil hier sehr gut qualifiziertes Personal arbeitet.

    Wir sagen: die Spezialisten arbeiten küstennah, die anderen auf See.


    Kapitän & Maschine das sind die, die gemeinsam das Schiff fahren.

  • Gibt es einen Fachkräftemangel? Eigentlich ist das ja ein Traumberuf!?

    Ja, nicht nur in Deutschland sondern weltweit fehlen tausende Offiziere.

    Zum einen wurde nach der Krise  zu wenig ausgebildet und zum anderen waren die damaligen Arbeitsbedingungen schlecht.

    Allgemein gibt es heute  zu wenig Ausbildungsplätze in diesem Bereich.


    Die Reedereien müssen durch die langen Ausbildungszeiten den Personalbedarf rechtzeitig abschätzen: wo will ich in 10 Jahren mit der Firma stehen? Und dementspechend muss man die Ausbildung steuern, gerade weil sie so lange dauert.


    Durch den Krieg in der Ukraine fehlen zusätzlich viele gut ausgebildete Seeleute aus der Schwarzmeeerflotte.


  • Was ist heute besser an der Ausbildung im Gegensatz zu früher?

    Ich war 15 Jahre lang der Vorsitzende der zuständigen Stelle für die seemännische Berufsausbildung hier in Deutschland und habe wesentlich diese Ausbildung auch auf Schleppern vorangetrieben. Dafür habe ich mich engagiert. 

    Bis dahin durften wir gar nicht ausbilden in der Schleppschifffahrt,  das wurde als zu gefährlich erachtet.


    Ich habe dann im wesentlichen die Ausbildung zum Schiffsmechaniker in der Schleppreederei eingeführt. Damals auf dem Schiff Oceanic fingen wir an, die Ausbildung durchzuführen.


    Für mich war wichtig, dass es ein durchgängiges Ausbildungssystem gibt, dass es möglich macht, dass auch diejenigen, die nicht so begütert sind, letztendlich ihr Studium durchführen können. Dafür ist eine Bezahlung wichtig.

    Die Bezahlung liegt jetzt bei ca. 1200 EUR im 1. Lehrjahr, dann sind es 1500 EUR im 2. Jahr und 1800 EUR im 3. Jahr.

    Davon kann ich dann auch meinen Lebensunterhalt bestreiten.


    Außerdem wurde das 1:1 System eingeführt, das musste auch tariflich festgelegt werden. Man verbringt die gleiche Zeit an Bord und die gleiche Zeit zu Hause. Also 183 Tage an Bord und 182 Tage Freizeit. 

    Das 1:1-System kommt auch Familien zugute. Unsere Väter sind zum Teil noch 8 Monate lang zur See gefahren.

    Das ist heute nicht mehr vorstellbar, dass man 8 Monate weg ist. So lange möchte man nicht weg sein. Damit kann man keine Leute mehr anlocken.