EIN BARKASSEN-SCHIPPER

Torsten Hansow ist ein Seemann wie er im Buche steht:

mit Wurzeln auf der Ostseeinsel Hiddensee und mehr als einem Jahrzehnt Erfahrung als Matrose auf den Weltmeeren.

Seit über 30 Jahren ist er ein fester Bestandteil des Hamburger Hafens und hat dabei in verschiedensten Berufen gearbeitet, unter anderem auch beim Amt für Strom- und Hafenbau, der heutigen Hamburg Port Authority.

Er ist seit 2005 als Schiffsführer tätig und einen Großteil dieser Zeit auf der Barkasse "Tanja" mit der er durch den Hamburger Hafen schippert. Sein Leben ist von der Seefahrt geprägt und sein Wissen über den Hamburger Hafen wirklich beeindruckend.

Mai 2024, Landungsbrücken Hamburg. Der Himmel ist strahlend blau am Tag bevor der Hafengeburtstag beginnt. Torsten Hansow hievt Getränkekisten quer über 2 Barkassen. Die Tanja liegt in 2. Reihe zwischen Brücke 7 und Festland und für morgen hat sich eine Gruppe von 50 Männern für eine Hafenrundfahrt angemeldet und schon mal 200 Flaschen Bier geordert. Klar, morgen ist Vatertag.
Auch wenn man Torsten nicht kennt, wäre klar, dass er auf einem Schiff arbeitet. Mit Kapitänsmütze und seinem weißem Bart ist er quasi sein eigenes Werbemotiv.

Als erstes erklärt er uns, dass ein Barkassen-Schipper auch noch ein He lücht und Koberer in Personalunion ist. Und schon sitzen wir auf der Barkasse Tanja, ein Viva con Agua in der Hand und wollen das nun ganz genau wissen.

INTERVIEW MIT TORSTEN

  • Erklär doch mal, was ist ein He lücht und was ist ein Koberer?

    Ein He lücht, das ist mein Job. Auf der Barkasse machen wir alles alleine: wir fahren, wir kobern, wir erzählen während der Fahrt. Als He lücht erzählst du den Leuten etwas über den Hafen, deine Geschichten, deine Stories. Ich hab den Vorteil, dass ich nicht nur zur See gefahren bin, sondern ich habe auch lange bei Strom-und Hafenbau gearbeitet (die heutige Hamburg Port Authority), da lernst du die Baggerei kennen, die Peilerei und den Lotsenversetzdienst. Du machst immer was anderes und dabei habe ich den Hafen 13 Jahre lang bis in den letzten Winkel kennengelernt. Ich kenne jede Funktionalität im Hafen oder was alle machen wie z.B. jedes Peilboot, jede kleine Bewegung kann ich einordnen.



    Ein Koberer sammelt Leute ein, spricht sie an und verkauft ihnen Tickets - hier für die Hafenrundfahrten.

  • Wie sieht die Ausbildung für einen Barkassenschipper aus?

    Grundvoraussetzung ist, dass Du einen maritimen Job hast beziehungsweise im Hafen gelernt hast. Hafenschiffer heißt die Berufsberufsausbildung, das sind praktisch Leute, die als Decks-Leute mitfahren auf dem Schlepper. Früher hieß das Ewerführer. Das waren die, die auf den Schuten waren in der Speicherstadt.


    Und wenn du diese Ausbildung gemacht hast, dann hast du das Hafenpatent. Mit dem Hafenpatent musst du drei Monate in der gewerblichen Personenbeförderung fahren und musst dann einen Personenbeförderungsschein machen. Dann musst du der HPA (Hamburg Port Authority) nachweisen, dass du dich auskennst im Hafen und dass du Ortskenntnisse hast. Danach gibt es eine Prüfung und dann kannst du mit einem Binnenschiffer-Patent auch Personen befördern. Das dauert insgesamt dreieinhalb Jahre.

  • Was hat dich dazu gebracht, Seemann zu werden?

    Das war mein Traumberuf und ich hab das große Glück gehabt, dass ich das lernen durfte in der damaligen DDR.



    Ich kann mal eine Geschichte erzählen: 


    Ich bin nach Hamburg gekommen wegen einer Frau. Ein Vierteljahr bin ich in der Binnenschifffahrt gefahren. Ich bin dann gleich wieder weg aus der Binnenschiffahrt. Die fahren 18 Stunden am Tag und dann fahren die nur am Deich längs und an den Kanälen. Ich habe dann wie gesagt einen Job gesucht und bin beim Arbeitsamt gewesen. Das weiß ich noch wie heute. Der hieß McDonald's der Vermittler. Der sagte, Sie sind ein Seemann, das ist ja interessant, gehen Sie mal runter zu den Landungsbrücken zur HADAG. Melden Sie sich mal bei der HADAG und sagen Sie, sie kommen von Herrn McDonald's, der schickt sie. Damals hat die HADAG noch Hafenrundfahrten gemacht und dann bin ich wieder ins Büro und hab gefragt „Und was soll ich da machen?“ „Ja, Du sollst den Hafen erklären. Du sollst mitfahren als Matrose und den Hafen erklären“. „Was - ich vor Leuten mit Mikrofon, das geht gar nicht. Vergiss es, ich bin Matrose, ich bin Schipper“.


    Später hab ich im Hafen eine Annonce gelesen vom Amt für Strom- und Hafenbau, der jetzigen Hamburg Port Authority.  Die haben Matrosen gesucht für die Baggerei. Dann habe ich 13 Jahre bei Strom-und Hafenbau gearbeitet als Springer: in der Baggerei, Peilerei und im Lotsenversetzdienst. Nebenbei habe ich meine Scheine gemacht, das Hafenpatent und irgendwann kam ein Kollege und fragte, „Mensch, willst Du nicht in die Touristik, wir brauchen immer Leute!?“ Und dann bin ich mit dem Kollegen mitgegangen und wollte zuerst nur für ein Wochenende auf der Barkasse fahren...

  • Könntest Du Dir auch vorstellen, auf der Alster zu schippern?

    Nein. Nö. *Er lacht.*


    Das ist ja immer die Frage: Fischbrötchen oder Franzbrötchen oder St. Pauli oder Hamburger SV. Oder eben Alster oder Elbe, Hafen oder Seefahrt. 


    Auf der Alster würde ich eingehen.

  • Gibt es etwas, das Du nicht magst an Deinem Beruf?

    Die Buchhaltung bei der Selbstständigkeit. Ich bin ein Praktiker, ich brauch ein Steuer in der Hand. 


    Ich liebe es auch, dass ich mit einer alten Hafenbarkasse fahren kann. Ich mag die neue Technik nicht. Da hast Du einen Joystick in der Hand und kein Ruder mehr. Hier hast du das Motorengeräusch. Auf den modernen Schiffen fährst du über Spiegel oder via Bildschirm. Das ist eben die Digitalisierung.

  • Ist Künstliche Intelligenz (KI) schon ein Thema im Hafen?

    Ich kenne im Hafen moderne Drohnen, die z.B. die Wassertiefe peilen oder Flächen vermessen. 


    Ob es selbstfahrende Fährschiffe geben wird, kann ich mir noch nicht vorstellen, auch nicht, dass große Containerschiffe autonom fahren. Vielleicht wird es Hubs geben wie im Containerhafen, die KI einsetzen. [Hubs = Knotenpunkte]



    Wir selbst nutzen Chat GPT für Formulierungen und Erklärungen in unseren Texten.

  • Musst Du Dich vorbereiten auf Deinen Arbeitstag?

    Nicht immer. Aber wir nutzen Apps, z.B. eine Tide-App: Wann können wir durch die Speicherstadt fahren? Durch die Elbvertiefung hat sich die Strömung verändert und das Zeitfenster ist für uns kleiner geworden für Fahrten durch die Speicherstadt. So etwas ist für uns wichtig für die Planung.


    Wenn ich weiß, dass ein Kreuzfahrtschiff da ist oder eine Megajacht, dann gucke ich schon mal: was ist das für eine Jacht und wem gehört die? Hier z.B. - (zeigt uns die App) - der Till Abicht fährt gerade am Container Terminal an der Lady Jane vorbei. Die ist wie groß? 294 m ist die Lady Jane lang. In der App kannst du auch noch mal gucken, wo fährt sie hin und solche Sachen. Aber ich bin nicht jemand, der sich jetzt jeden Tag hinsetzt und einen genauen Plan macht. Ich mache das eher spontan. 

  • Welche Apps nutzt du?

    Z.B. die App von der HPA über die Schiffspositionen.


    Und die App Track Position zum Schiffsaufkommen.

  • Gibt es etwas, das Du an Deiner Arbeit vermisst?

    Ja, die Seefahrt, d.h. die Ferne und die Weite. Und die Meerluft. Rundherum nur das Meer sehen wie bei einer Kreuzfahrt z.B., das fehlt mir. Alle paar Jahre machen meine Frau und ich eine Kreuzfahrt, wir waren schon in der Antarktis und am Amazonas.

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Journal Hamburger Hafen der SHMH